Einleitung
Die Idee für dieses Projekt entstand in einem längeren Prozess, im welchem wir überlegten, welches Thema wir für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten beitragen können. Die Anregung sich mit einem Beitrag zu beteiligen kam durch unseren Tutor und Geschichtslehrer. Ein Zeitungsartikel über den Wittenberger Pfarrer Schorlemmer, der im Herbst 2024 kürzlich verstorben war, haben wir zum Anlass genommen, die Aktion Schwerter zu Pflugscharen neu zu betrachten. Einer aus unserer Gruppe hat einen Bekannten, der Zeitzeuge der damaligen Schmiedeaktion zum Kirchentag in Wittenberg gewesen ist. Da wir alle im Umkreis von Wittenberg wohnen, ist für uns schnell ein persönlicher und lokaler Bezug zu diesem Thema entstanden.
Das Thema des diesjährigen Wettbewerbs lautet: „Bis hierhin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte“. Die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ als Thema für den Wettbewerb auszuwählen schien uns passend zu sein. Dem DDR-Regime wurde die Stirn geboten und die Aktion hat durch ihren friedlichen Protest eine indirekte Konfrontation mit dem Staat gesucht. Der Staat sollte aufgefordert werden, die Aufrüstung zu stoppen und den „Frieden ohne Waffen“ zu sichern.
Wir wollten uns vor dem Hintergrund der Schmiedeaktion die Frage beantworten, ob die hierin eine zivile Grenzüberschreitung für das DDR-Regime zu sehen war und welche Folgen die Aktion für die Beteiligen hatte. Unsere Ergebnisse sollten anderen Interessenten frei verfügbar sein. Über die persönlichen Kontakte zu den Zeitzeugen haben wir davon erfahren, dass ein Verein namens „Viseoneum“ in Gründung ist. Unsere Ergebnisse wollen wir dem Verein zur Verfügung stellen. Eine Website bietet die Möglichkeit, Text, Audio- und Video-Inhalte zu kombinieren. Somit können wir die Zeitzeugeninterviews und das Bildmaterial mit dem Beitragstext für den Wettbewerb kombinieren. Daher erschien uns die Website als geeignete Form.
Die Aktion Schwerter zu Pflugscharen in Wittenberg

Der Kirchentag und die Aktion
Im Jahr 1983 fand in Wittenberg ein bedeutender Kirchentag statt, der anlässlich des 500. Geburtstags von Martin Luther gefeiert wurde. Diese Veranstaltung zog nicht nur zahlreiche Gäste an, darunter den damaligen regierenden Bürgermeister von Westberlin und späteren Bundespräsidenten, Richard von Weizsäcker, sondern auch eine unerwartet hohe Anzahl an Teilnehmern aus aller Welt.
Schorlemmer (2003): „Die Staatssicherheit hatte offenbar keine Order. Sie waren in Mengen da, aber sie griffen nicht ein. Das hing wohl damit zusammen, dass gewissermaßen in Sichtweite der designierte Bundespräsident Richard von Weizsäcker anwesend war. Also, wir hatten ein unglaubliches Glück und konnten diese Aktion zu Ende führen.“
Der Pfarrer Friedrich Schorlemmer nutzte die Gelegenheit, um mit der Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ ein starkes Zeichen zu setzen. Diese Schmiedeaktion, die im Hof des Lutherhauses stattfand, wurde durch Mundpropaganda und Anspielungen in Schorlemmers Predigt bekannt. Am Abend des 24. September 1983, gegen 21:30 Uhr versammelten sich etwa 2.000 Menschen, um an dieser symbolischen Handlung teilzunehmen, die den Widerstand gegen die DDR und die Forderung nach einer neuen Friedenspolitik verkörperte (Eckart & Lobmeier, 2007, S. 6-11). Auf Youtube findet sich dieser Beitrag darüber.
Der Schmid der Aktion Stefan Naum erinnert sich hierzu in einem mdr Betrag.
Mehr als nur Ausdruck des Glaubens
Die Aktion war nicht nur ein Ausdruck des Glaubens, sondern auch eine Reaktion auf die ideologischen Widersprüche zwischen dem Christentum und der DDR. Die Regierung der DDR und das Ministerium für Staatssicherheit versuchten den Einfluss der Kirche zu minimieren, was zu einer Benachteiligung junger Christen in Schulen führte. Dennoch boten Kirchen Rückzugsräume und Veranstaltungen für Jugendliche an. Die Verbindung zwischen den Menschen beider deutscher Staaten, die sich für Frieden und Umwelt engagierten, wurde durch die Aktion gestärkt. Der Journalist und Augenzeuge Peter Wensierski (2003), der die Ereignisse dokumentierte, stellte fest:
„Dieser Abend […] das war was, was jeder in Westdeutschland auch verstand, […] wo es plötzlich eine Verbindung zwischen den beiden Teilstaaten gab. Zwischen denen, die ähnlich gedacht und gefühlt haben, die aktiv waren in der Friedens- und Umweltbewegung – gerade bei den vielen jungen Leuten. […] Es gibt auf beiden Seiten der Mauer ähnlich denkende Leute. […]“ (Wensierski, 2003).
Symbolik der Friedensbewegung
Die Symbolik der Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ war tiefgreifend. Hammerschläge auf ein „heißes Eisen“ wurden ausgeführt, während Bibelzitate vorgetragen und gemeinsam Lieder gesungen wurden. Dies stand im Widerspruch zum Selbstverständnis der DDR, die sich selbst als die einzige legitime Friedensbewegung betrachtete – gestützt durch die Nationale Volksarmee (NVA). So sollte es die Aufgabe der Armee sein, den Frieden zu sichern. Die Idee, Schwerter in Pflugscharen zu verwandeln, war inspiriert von biblischen Prophezeiungen. Die Wurzeln des Symbols „Schwerter zu Pflugscharen“ reichen bis zu einer großen Bronzestatue zurück, die 1959 von der sowjetischen Regierung unter Nikita Chrustschow (1959) als Geschenk an die Vereinten Nationen übergeben wurde.

Diese Statue, geschaffen von Jewgenij Wutschetisch, steht bis heute in New York. Die biblischen Zitate aus dem Propheten Micha (4:3) und Jesaja (2:4), die Frieden und Umwandlung thematisieren, wurden zur Inspiration für die Friedensbewegung in beiden deutschen Staaten. Trotz anfänglicher Kooperationsversuche zwischen den Militärbündnissen NATO und Warschauer Pakt kam es in den späten 1970er Jahren zu einem Rüstungswettlauf, der die Friedensbewegung weiter anheizte (Eckart & Lobmeier, 2007, S. 12-15). So kommt es zu der Stationierung von SS-20 Mittelstreckenraketen, die ein atomare Sprenglandung transportieren und von mobilen Rampen abgefeuert werden konnten. Und mit dem NATO-Doppelbeschluss war vorgesehen, Pershing-Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern in Europa zu stationieren. Gleichzeitig sollten Verhandlungen starten, die die Begrenzung von Nuklearkapazitäten in beiden Militärbündnissen (INF-Vertrag) vorsahen – ausgenommen auf britischer und französischer Seite.
Die Sorge über einen militärischen Konflikt zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt wuchs seitdem stetig an. In Westdeutschland demonstrierten im Oktober 1983 Hundertausende im Bonner Hofgarten. Bereits ab November 1980 versammeln sich in der DDR häufig junge Menschen zu Bittgottesdiensten, Friedensforen und Diskussionsabende.
Von der Statue zum Lesezeichen

Harald Bretschneider, sächsischer Landesjugendpfarrer, schlägt mit Verweis auf das Bibelzitat „Schwerter zu Pflugscharen“ eine Friedensdekade vor, mit der Skulptur von Wutschetisch als Symbol. Das Symbol sei schließlich vom großen sowjetischen Bruderstaat als Friedenssymbol abgesegnet. Herbert Sander, ein Potsdamer Graphiker, entwirft daraufhin ein Logo für den Druck (1980). Bretschneider lässt daraus Lesezeichen und Aufnäher auf Vlies erstellen. Die Resonanz ist groß und Jugendliche tragen das Symbol auf Jacken und Parkas. An der Produktionsstätte der Herrenhuter Brüdergemeinde werden 200.000 Stück hergestellt.
Parka mit Logo der Friedensbewegung,
in: Eckart & Lobmeier, 2007, S.17 S.15 vom Parka
Reaktion des SED-Regimes
Allerdings wird die Verbreitung des von Zander entworfenen Logos in der DDR nicht geduldet. Polizisten greifen Jugendliche auf, die Parkas und Kleidungsstücke mit dem Textildruck Schwerter zu Pflugscharen tragen. Der Vorwurf betrifft den pazifistischen Protest gegen die „staatliche Ordnung“, wie es aus einem Fernschreiben der Polizei an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hervorgeht. (Eckart & Lobmeier, 2007, S.16).
In diesem Zusammenhang werden auch Schuldirektoren angewiesen, Träger:innen des Logos auf der Kleidung an die Kreisschulräte zu melden.

Ein Beispiel aus Bsp. Aus Werdau vom 13.4.1982, in: Eckart & Lobmeier, 2007, S.17
Die zumeist jungen Menschen würden die „Interessen des Klassenfeindes“ vertreten und damit die Verteidigungsbereitschaft der DDR unterwandern. So wird das Zeichen von den Kleidungsstücken mit Gewalt entfernt. Mitunter werden Jugendliche auch von der Polizei verprügelt. Dennoch konnte man sehen, dass die Jugendlichen der Friedensbewegung angehörten, denn dort, wo früher das Logo aufgenäht war, war jetzt ein Loch in der Kleidung. Zusätzlich konnte man erkennen, wo das Logo herausgeschnitten wurde, weil Jugendliche hier einen weißen Kreis getragen haben.

Demonstrativ ein weißer Kreis, wo früher der Aufnäher der Friedensbewegung war.
in: Eckart & Lobmeier, 2007, S.20
Gegenkampagne und Werbung für die NVA
Die SED Regierung unternahm auch Versuche, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, indem eine Gegenkampagne zur Bewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ gegründet wurde. Getragen wurde diese Gegenkampagne von der Jungendorganisation FDJ 1981 unter dem Motto „Der Frieden muss verteidigt werden – der Frieden muss bewaffnet sein“. Schulungen unterwiesen Jugendliche darin, „konterrevolutionäre Charaktere“ – also Angehörige der Friedensbewegung zu erkennen.
Gleichzeitig wurde eine Kampagne gestartet für die NVA zu werben. Ferner sind Plakate, Sticker und Flugblätter entstanden, die auf Demonstrationen – sogenannten „Friedensmanifestationen“ – verteilt wurden. In vielen Orten wurde die Herstellung des Logos von Herbert Sander, untersagt und Kirchen wurden unter Druck aufgefordert, gedruckte Symbole herauszugeben.
SED-Druck zeigt Wirkung
Der Druck wurde schließlich so groß, dass im März 1982 die sächsische Landessynode von den Kanzeln verlesen lassen musste, dass das öffentliche Bekenntnis der zivilen Friedensbewegung „nicht mehr [geschützt]“ werden könne. Wer künftig das Logo Schwerter zu Pflugscharen trage, sei auf sich allein gestellt. Nach Schätzungen waren rund 100.000 Personen Mitglied der Bewegung. Vor diesem Hintergrund ist die Schmiedeaktion ein politisches Bekenntnis gewesen, denn sie verband Gleichgesinnte, die die Auseinandersetzung mit dem Staat gesucht haben und eine ähnlich ernüchternde Erfahrung machten. So kommt Ehrhart Neubert 1997 zu der Einschätzung, Schwerter zu Pflugscharen war „[d]ie größte oppositionelle Massenbewegung zwischen [dem Aufstand] 1953 und dem Ende der DDR“.
Zeitzeugeninterviews
In Vorbereitung auf die Zeitzeugeninterviews wurden von uns Fragen erarbeitet, welche hinsichtlich der Aktion und ihrer Bedeutung für die Grenzen des zivilen Widerstands in der DDR relevant erschienen. Diese Fragen sind:
- Wie haben sie von der Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ erfahren?
- Gab es Flugblätter, Mund-zu-Mund-Propaganda oder ähnliches?
- Welche Rolle haben sie bei der Aktion in Wittenberg gespielt?
- War die Aktion allgemein oder für sie persönlich gefährlich?
- Wie hat sich die Polizei verhalten? Und wie die Behörden?
- Was ist den Personen später widerfahren, die die Aktion durchgeführt haben? Gab es Repressionen?
- Wie hat Ihr Umfeld (Freunde, Nachbarn, Bekannte, ) auf die Aktion reagiert?
- Aus welchem Grund war es ihnen wichtig, sich an der Aktion zu beteiligen?
- Was ist aus der Aktion geworden? Haben sie das Gefühl etwas erreicht zu haben?
- Wie blicken sie heute auf die Aktion? Glauben sie, dass die Botschaft von damals heute noch aktuell ist? Warum?
Wir haben für das Projekt mit den Zeitzeugen Günter Schildhauer, Achim Herrmann, Eva Löber und Hartmut Zander in der alten Schmiede gesprochen. Durch persönliche und familiäre Kontakte von Isabell Zechel sind wir auf diese Personen gekommen, denn sie sind Zeitzeugen oder sogar Mitorganisatoren der Aktion Schwerter zu Pflugscharen 1983 in Wittenberg. Von den genannten Personen war Fr. Löber im kirchlichen Umfeld des Pfarrers Schorlemmers aktiv.
Achim Herrmann war zum damaligen Zeitpunkt als Hobby-Fotograph tätig, scheute sich aber von der Aktion Bildaufnahmen zu machen. Herr Schildhauer als Handwerksmeister ist nicht direkt an den Vorbereitungen beteiligt gewesen, jedoch indirekt informiert. In seiner PGH wurde das Schwert von Stefan Naum über einen längeren Zeitraum vorbereitet. Am 23. November 2024 kamen wir in der alten Schmiede in Wittenberg zusammen.
Die Zeitzeugen haben teils sehr umfassend auf die Fragen geantwortet, und mehrere Punkte zusammengefasst oder vorweggenommen. Wir haben uns bemüht die Antworten zusammenfassend hier wiederzugeben.
Die MP3-Playlist in dem mit den Antworten und zusätzlichen Information aus dem Interviews ist hier verlinkt.
- Frage: Wie haben Sie von der Aktion erfahren?
Günter Schildhauer beantwortete unsere Frage so: Er meinte, er war sehr überrascht und hatte nur vage von der Aktion erfahren. Er sagte, dass um den Freitagabend ein bisschen ein Geheimnis gemacht wurde. Friedrich Schorlemmer sagte zu ihm, er solle unbedingt kommen, da dort etwas Wichtiges passierte. Es wusste von vornherein nur ein ganz kleiner Kreis Bescheid.
Frau Löber hat uns erzählt, dass sie direkt an der Aktion beteiligt war und deswegen Bescheid wusste, da sie bei der Planung half. Weiterhin führte sie aus, dass einen eingeweihten Kreis von Kirchenaktiven gab. Andeutungen zu der Aktion wurden in der Predigt Schorlemmers gemacht.
- Frage: Welche Rolle haben Sie bei der Aktion gespielt?
Achim Herrmann meinte, er war nicht in die Vorbereitung eingebunden und war ebenfalls sehr überrascht. Er wurde beauftragt, als Kirchentagsfotograf zu arbeiten und hatte im Vorfeld schon einige Fotos von der Kirche gemacht. Er hat seinen Fotoapparat an dem Tag der Aktion vorsichtshalber zu Hause gelassen, da Schorlemmer meinte, dass dort etwas Besonderes passierte.
Frau Löber hat sich an der Aktion beteiligt und mitgeholfen bei der Planung. Aber genau auf den Punkt, welche Rolle sie gespielt hat, ist sie nicht eingegangen.
- Frage: War die Aktion gefährlich?
Frau Löber sagte, die Aktion war allgemein gefährlich. Die Aktion sei nur ohne Unterbrechungen von der Staatssicherheit vonstatten gegangen, da es sonst einen Affront gegeben hätte und westliche Journalisten vor Ort waren. Doch wussten sie nicht, was danach mit ihnen geschehen würde. Sie waren alle im Westfernsehen zu sehen, das war eine große Unsicherheit. Man wusste eben nicht, wie die Staatssicherheit mit denen umgehen würde, die anderer Meinung waren. „Was bedeutet eigentlich Freiheit? Freiheit in einem Staat, wenn man nicht die Meinung dessen vertritt?“
- Frage: Wie hat sich die Polizei verhalten? Und wie die Behörden?
Frau Löber sagte dazu, dass es eine Kinderpanzerstation gab, wo es eine große Auszeichnung war, wenn Jugendliche oder Personen mit Waffen in der Berliner Parade dabei sein durften. Man hatte auch Angst, was mit ihnen nach der Aktion passieren würde. Da alle in normalen Arbeitsplätzen tätig waren und die Staatssicherheit mehrere Möglichkeiten hatte, Bestrafungen auszurichten: z.B. keine Genehmigungen von Ausreiseanträgen. Oder man hatte versucht, ihren Mann von seiner Arbeitsstelle zu entfernen, sodass er den Meister nicht machen konnte. Auch das war ein Machtinstrument, Menschen zu diskriminieren, die nicht hinter der Meinung der Partei stehen. Keiner wusste, wer für die Staatssicherheit tätig war; es konnte der Nachbar gewesen sein oder auch nicht. Wer sich nicht staatskonform verhielt, der würde beobachtet, und nach und nach würden kleine Repressalien bei der entsprechenden Person angewendet.
- Frage: Was ist den Personen widerfahren, die die Aktion durchgeführt haben? Gab es Repressionen?
Frau Löber sagte, dass Herr Naum, der das Schwert schmiedete, seinen Job danach verloren hat und den Kontakt zu den anderen vermied. Frau Löber sagte zu uns auch, dass man versucht hatte, ihren Mann und sie aus der Arbeitsstelle rauszuschmeißen, indem man sie beide anklagte. Frau Löber sollte von ihrer Mitarbeiterstelle im Kulturbetrieb in die Produktion wechseln. Und ihrem Mann wurde der Meister verwehrt. Doch wurde Frau Löber nach rechtlicher Auseinandersetzung wieder in einer anderen Position im Kulturbetrieb aufgenommen. Man durfte auch kein Abitur nach der Schule machen, wenn man kirchlich organisiert ist. Es wurde auch gesagt, dass man so in gewisser Weise gesellschaftlich ausgegrenzt wurde. Später ergänzt sie, dass ihre Wohnung abgehört wurde.
- Frage: Wie hat Ihr Umfeld (Freunde, Nachbarn, Bekannte) auf die Aktion reagiert?
Frau Löber sagte zu uns, dass sie an einem Gesprächskreis beteiligt war, bei dem sie regelmäßig über gesellschaftliche Themen diskutiert haben, da es schon Unmut in der Bevölkerung gab über die Situation im Land, da man nicht reisen durfte und die Meinungsfreiheit stark eingeschränkt war. Sie haben überlegt, wie man versuchen kann, da etwas zu ändern. Sie wollten weiter dort leben, aber nicht unter diesen Umständen. Sie sagte, das war dann eine ganz einfache Sache, da es in der Bibel zu diesem Thema diesen einen wunderbaren Spruch von den „Schwertern zu Pflugscharen“ gab. Sie alle hatten einen christlichen Hintergrund und wollten dieses Symbol in den Vordergrund stellen.
- Frage: Aus welchem Grund war es Ihnen wichtig, sich an der Aktion zu beteiligen?
Frau Löber hat uns gesagt, dass die Bürger eine Welt erschaffen wollten, in der es keine Waffen gibt und kein Krieg existiert und dass die Menschen friedensbereit und -motiviert sind. Dafür sollten auch die Menschen auf die Straße gehen und Friedensbewegungen initiieren. Das Ziel war vor allem, dass die Menschen hier Leben und nicht ausreisen wollten. Für viele waren die Lebensbedingungen nicht gut – wie zum Beispiel die fehlende Reisefreiheit, die Einschränkung der Meinungsfreiheit und vielfache staatliche Eingriffe.
- Frage: Was ist aus der Aktion geworden? Haben Sie das Gefühl, etwas erreicht zu haben?
Frau Löber meinte zu uns, dass es aufgrund der Aktion und der Friedensbewegung schon lange keinen Krieg mehr bei uns gibt. Es wurde „Schwerter zu Pflugscharen“ in Leipzig nach zehn Jahren wiederholt als Erinnerung, weil sich die Friedensfrage heute noch nicht verändert hat und um den Leuten zu sagen, dass Aufrüstung nicht zum Frieden beiträgt. Wir wollten darauf hinweisen, dass die Menschen umdenken müssen, wenn man zum Frieden kommen will. Aber es gibt eine Gruppe von Menschen, die von den Waffen profitieren, und es scheint so, dass ein großes Interesse darin besteht, mit dem Krieg in der Welt fortzufahren.
- Frage: Wie blicken Sie heute auf die Aktion? Glauben Sie, dass die Botschaft von damals noch aktuell ist?
Frau Löber meinte zu uns, dass es heute noch Menschen gibt, die mutig sind. Aber es gibt viele, die es nicht sind. Ebendiese versuchen diese Zeitzeugen zu ermutigen, selbst nachzudenken ihre eigene Meinung zu vertreten und über die Folgen von Kriegen zu diskutieren.
Zusammenfassung
Die Aktion Schwerter zu Pflugscharen war als friedenspolitische Protestaktion eindeutig umrissen. Die Teilnehmerinnern und Organisatoren konnten sich in relativer Sicherheit wiegen aufgrund der internationalen Aufmerksamkeit für den Kirchentag. Keiner der Beteiligten konnte aber genau wissen, welche Repressionen der Staat gegen die Teilnehmerinnen, Organisatoren und Initiatoren ergreifen würde. Dass der Staat nachträglich repressiv auf die Aktion reagierte, wird durch die Beschreibungen von Fr. Löber und Hr. Achim Herrmann deutlich. Beide wussten zum damaligen Zeitpunkt, dass sie eine Grenze überschreiten werden.
Die Grenzen des Protests in der DDR sind nicht klar definiert. Die Regierung versuchte die Bevölkerung in verschiedenen Lebensbereichen einzuschränken und bot nur hier und da Möglichkeiten der freien Entfaltung. Laut Herrmann war es ein öffentliches Bekenntnis, wenn man das Friedenssymbol von Wutschetisch und Sander gezeigt hat. Man bekannte, dass man gegen die Friedenspolitik des DDR-Staates ist.
Herrmann hat seinen Fotoapparat an dem Tag der Schmiedeaktion bewusst nicht mitgenommen, weil er Angst hatte, diesen zu verlieren. Wenn die Behörden den Apparat gefunden hätten, hätte er damit seine Freunde, Bekannten und alle Anwesenden in Bedrängnis bringen können. Auch vermutete er, seine Freunde könnten glauben, dass er für die Stasi spioniert.
Das Beispiel von Fr. Löber zeigt es deutlich, dass die Aktion gefährlich war. Sie wurde anschließend abgehört und vorübergehend von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Wenn sie nicht die Unterstützung von engagierten Personen gefunden hätte, wahrscheinlich sogar dauerhaft.
Der Staat hat die Aktion als eindeutige Grenzüberschreitung wahrgenommen, sonst hätte er nicht so reagiert.
Weiterführendes Material
- Bettina Röder, 40 Jahre »Schwerter zu Pflugscharen« , in Blätter für deutsche und internationale Politik (9’23), S.109-116
- Eckert & Lobmeier, Schwerter zu Pflugscharen. Geschichte eines Symbols, Stifung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2007
- Ehring & Dallwitz, Schwerter zu Plugscharen, Friedensbewegung in der DDR, Hamburg 1982.
- Friedrich Schorlemmer, Den Frieden riskieren. Dank-Worte bei der Verleihung des Friedenspeises des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche, Frankfurt/M. 1993.
- MDR Dossier, Schwerter zu Pflugscharen: Das Symbol der Friedensbewegung, 2021
- MDR, Friedrich Schorlemmer und „Schwerter zu Pflugscharen“, 2023
- Deutschlandfunk Kultur, Deutsche Rufe – Teil 9, „Schwerter zu Pflugscharen“, 2015